Spotter, Jellysmack & Co.: Warum Firmen jetzt die Rechte an alten Youtube-Videos kaufen

Martin Gardt22.2.2022

Mehrere Startups wollen Milliarden in die Video-Kataloge großer Youtube-Creator wie MrBeast stecken – so funktioniert das Geschäftsmodell

Youtuber MrBeast
Auch Youtube-Superstar MrBeast hat Rechte an seinen alten Videos verkauft

Ed Sheeran, Shakira, Bruce Springsteen, Bob Dylan und viele andere Musikstars haben in letzter Zeit die Rechte an ihren Songs verkauft. Plattenlabel und Investmentfonds zahlen oft mehrere Hundert Millionen US-Dollar für solche Rechtekataloge – um dann bei jeder Verwendung der Musik Lizenzgebühren zu verlangen. Ein ähnliches Geschäftsmodell zeichnet sich derzeit in der Youtube-Welt ab. Stars wie MrBeast verkaufen Video-Rechte an junge Unternehmen wie Spotter oder Jellysmack. Wie die so Millionen-Umsätze einstreichen wollen und was solche Deals den Creatorn bringen, zeigen wir hier.

Die Zahlen lassen aufhorchen: Der Softbank Vision Fund und weitere Investoren stecken 200 Millionen US-Dollar in das US-Startup Spotter – bei einer Bewertung von 1,7 Milliarden Dollar. Allein im laufenden Jahr will das erst 2019 gegründete Unternehmen etwa 500 Millionen Dollar für die Rechte an Youtube-Videos ausgeben. Mit Jellysmack plant ein weiteres Startup mit der gleichen Summe. Und gleichzeitig kaufen derzeit die VC-Firma Slow Ventures und das Payment-Startup Creative Juice Anteile an zukünftigen Einkünften bekannter Youtube-Creator. Hier entsteht gerade ein ganz neues Geschäftsmodell in der Creator Economy.

Die Hoffnung auf die Reichweiten-Explosion

Warum steckt derzeit aber so viel Geld in dem noch so jungen Business rund um die Rechte an Youtube-Video-Katalogen? Der Grund dürften lukrative Wachstumsraten sein – und die relative Sicherheit, dass sich die Investition auszahlt. Videos von Youtube-Superstar MrBeast, der jeden Monat zwischen 250 und 730 Millionen Views auch auf seine alten Inhalte generiert, bringen erwartbare Einkünfte über Youtube-Ads ein. Und auf die haben es die Unternehmen abgesehen. Spotter und Jellysmack kaufen explizit nur die Rechte an der Monetarisierung alter Videos. Die Rechte an den Inhalten bleiben bei den Creatorn. Trotzdem zahlen die Unternehmen zum Teil große Summen. Die Deals bringen Creatorn zwischen 15.000 und 30 Millionen Dollar ein – je nach Größe des Youtube-Kanals – und gelten für fünf Jahre. Im Durchschnitt gebe Spotter etwa 1,5 Millionen Dollar pro Videorechte-Paket aus.

MrBeast monatliche Viewzahlen auf Youtube

Die monatlichen View-Zahlen des Youtube-Accounts von MrBeast (Quelle: Socialblade)

Neben MrBeast sind große Kanäle wie Like Nastya und Dude Perfekt bereits Partner von Spotter. Das Unternehmen gibt an, bereits mit 190 Creatorn zu arbeiten. Nach eigenen Angaben verzeichnen die lizenzierten Inhalte 40 Milliarden View-Minuten pro Monat. Und die Hoffnung ist, dass diese Zahlen allein mit dem bestehenden Portfolio immer weiter steigen. Damit gleicht das Geschäftsmodell der Investition in Startups: Geld in ein aufstrebendes Unternehmen – in diesem Fall eine Person – stecken und auf Wachstum und Profite hoffen.

Das müssen die Creator mitbringen

Spotter & Co. scheinen dabei eine relativ klare Investitionsstrategie zu verfolgen. „Wir wollen mit Creatorn arbeiten, die die Möglichkeit haben, in sich selbst zu investieren und zu wachsen“, sagt Spotter-CEO Aaron DeBevoise gegenüber Business Insider (Paywall). „Wir sind gut darin, die Momente zu finden, nach denen noch Wachstum möglich ist.“ Spotter setzt also darauf, dass die Creator das Geld in neue Projekte und Professionalisierung stecken, dadurch eine größere Reichweite generieren, die dann auch auf die alten Videos abstrahlt, deren Rechte das Unternehmen hält. Deshalb kaufe Spotter auch nicht einfach Evergreen-Content wie How-To-Clips rund ums Krawatte binden. In dem Bereich seien die Wachstumschancen zu gering.

Neben dem Potenzial schaue sich Spotter intensiv die Themen an, die Creator bespielen. So habe das Unternehmen analysiert, welche Arten von Videos auf lange Sicht Views erzielen und gleichzeitig für Werbepartner sichere Inhalte bieten. Politische Videos und Nachrichten sind beispielsweise oft nur kurz erfolgreich und weniger sicher für Brands als etwa Koch-Content. Und auch innerhalb von Themengebieten gebe es Unterschiede. So seien Gaming-Videos rund um Shooter wie Call of Duty kurzfristiger erfolgreich als Minecraft-Videos, wo es oftmals etwas kreativer zugeht.

Nicht nur auf aktuelle Trends aufspringen

Das Spotter-Team konzentriere sich darüber hinaus auf Kanäle, die seit mindestens 12 Monaten mit Youtube-Ads Geld verdienen und über eine Million Views pro Monat erreichen. Damit zielt das Unternehmen vor allem auf etablierte Kanäle mit einem sicheren Grundeinkommen. Über die blanken Views hinaus seien aber auch die CPMs (Cost per Mille, also Verdienst pro Tausend Views) entscheidend. Spotter visiere Kanäle mit CPMs in der Region von acht US-Dollar an. Erreicht ein Kanal 100 Millionen Views pro Monat bei einem CPM von einem US-Dollar reicht das also eher nicht für eine Partnerschaft.

„Wir schauen nicht nur darauf, was aktuell in Mode ist“, sagt Spotter-CEO DeBevoise. Er hätte 2017 auch nicht in Videos rund um Fidget Spinner investiert, weil Trends zu schnell vorbeigehen. Views sollten getrieben durch den Youtube-Algorithmus auf den Kanälen landen, nicht weil ein Thema gerade einen viralen Moment hat. „Das ist ein starker Hinweis darauf, dass das Erlebnis auf den Kanälen auch über den einen Moment hinaus interessant ist“, so DeBevoise. Für Spotter und andere Unternehmen, die sich an dem Geschäftsmodell versuchen, ist der Algorithmus jedoch nicht nur Heilsbringer, sondern gleichzeitig größte Bedrohung. Denn es ist nicht nur schwer zu durchschauen, auf welchen Grundlagen Youtube Nutzenden weitere Videos empfiehlt. Die Plattform kann diese auch jederzeit ändern und einstmals erfolgreiche Reichweiten-Strategien zerstören.

Neben Geld gibt’s Tipps

Bei solchen Strategien treffen sich zumindest die Ziele von Spotter und den Creatorn. Die Investoren wollen durch steigende View-Zahlen höhere Werbeeinkünfte erzielen und Youtuber:innen noch mehr Menschen erreichen (und damit auch noch mehr Geld verdienen). Deshalb unterstützen Spotter, Jellysmack & Co. die Creator mit Tipps, wie sie weiter wachsen können. Die Datengrundlage haben die Unternehmen aus der vorherigen Analyse der Kanäle.

„Ein Hinweis könnte sein: ‚Hey, lass uns auf die Retention Rate deiner Videos fokussieren.‘ Und wir sprechen dann darüber, was das für den Wert der Videos und das Monetarisierungs-Potenzial bedeutet“, sagt DeBevoise gegenüber Techcrunch. „Dass wir dabei helfen, ein Business zu bauen und das Kapital clever zu reinvestieren, ist absolut entscheidend.“

Die Creator Economy wird erwachsen

Youtube-Superstar MrBeast hat mit dem Geld von Spotter beispielsweise einen spanisch-sprachigen Kanal finanziert, um mit seinen Videos eine ganz neue Zielgruppe zu erreichen. Andere eröffnen mit dem Geldregen Restaurants, bringen neue Produkte auf den Markt. Jede Strategie, die am Ende zu Wachstum führt, hilft Spotter, Jellysmack & Co. Allein während des Deals mit Spotter sei die Reichweite von MrBeast um 300 Prozent gewachsen. „Wir zielen darauf ab, unser Geld innerhalb von vier Jahren zurückzuverdienen“, so der Spotter-CEO. Creator müssen also abschätzen: Kann ich mit einem Haufen Cash aktuell mehr anfangen als mit stabilen und potenziell höheren Einkünften über die kommenden fünf Jahre?

Für MrBeast lohnt sich der Deal. Er braucht hohe Summen für seine aufwendigen Videos und kann mit einem Geldsack voller Millionen seine Reichweite so pushen, dass fehlende Ad-Umsätze wenig ins Gewicht fallen. Andere dürften mit stetigem Wachstum aus eigener Kraft besser fahren. Auch weil ein Unternehmen wie Spotter bei ausbleibenden Reichweitensprüngen sicher nicht still zuschauen wird. In jedem Fall ist das Modell ein weiterer Schritt Richtung professioneller Creator Economy: Youtuber:innen haben verstanden, dass ihre bestehenden Inhalte durch Youtube-Ads einen bestimmten Wert haben. Wer damit jetzt clever handelt, kann mit dem Cash ein echtes Business aufbauen und doppelt profitieren.

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MG
Autor*In
Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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