Mehr Werbeeinnahmen, mehr Kontrolle: Kann Apple zur mächtigsten Firma im Marketing werden?

Wie Apple die Werbeumsätze bis 2026 auf 30 Milliarden US-Dollar ausbauen könnte

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Auf vier Milliarden US-Dollar Jahresumsatz soll Apple die Werbeeinnahmen gesteigert haben, seitdem das Unternehmen 2016 wieder in die Vermarktung eingestiegen ist. Gleichzeitig hat Apple seine Machtposition im globalen Werbemarkt auch abseits der eigenen Umsätze immer stärker ausgebaut – zuletzt mit der Einschränkung des Trackings auf dem iPhone. Nun hegt der Konzern aus Cupertino offenbar noch weitaus größere Ambitionen; will in der eigenen Werbesparte die Belegschaft nahezu verdoppeln sowie Technologie und Inventar ausbauen. OMR erklärt die Pläne und gibt einen Einblick in die Machtkämpfe hinter den Kulissen von GAFA.

Es war nur eine interne Umstrukturierung, aber dennoch eine mit Signalwert: Einem Bericht von Business Insider (€) zufolge hat Apple Anfang des Jahres die Führungsstruktur seiner Services-Sparte umgebaut, in der Dienste wie der App Store, Apple Music, iCloud, Apple Pay und auch die Werbevermarktung gebündelt sind. Im Zuge des Umbaus ist auch Todd Teresi befördert worden, der Apples Werbegeschäft seit mehr als zehn Jahren verantwortet. Statt wie zuvor an einen Mittel-Manager berichtet Teresi nun direkt an Services-Chef Eddy Cue. „Das Service-Portfolio ist mittlerweile zu groß, mit zu vielen anderen wachsenden Segmenten. Das Werbegeschäft ist groß genug, um für sich zu stehen“, so eine anonyme, Apple-interne Quelle gegenüber Business Insider.

Das Search-Ads-Inventar wächst und wächst

Noch vor zehn Jahren war diese Entwicklung nicht unbedingt abzusehen gewesen, denn mit seiner ersten Unternehmung im digitalen Werbemarkt war Apple spektakulär gescheitert: Im Mai 2010 hatte der Konzern unter dem Namen iAd mit großen Ambitionen ein Netzwerk für die Vermarktung von In-App-Werbung gestartet, zunächst mit einem Mindest-Budget von einer Million US-Dollar. Ein Jahr später musste das Unternehmen die Preise schon um 70 Prozent senken; 2013 sollte iAd dann auf einmal nur noch die Infrastruktur für Werbung in Apple Music stellen (Apples Spotify Mitbewerber). Im Juni 2016 wurde iAd eingestellt.

Die iAd-Technologie nutzt Apple seitdem noch, um Display-Werbung in Apple News (in Deutschland bislang nicht verfügbar) und der eigenen Aktien-App auszuspielen. Deutlich umsatzrelevanter dürfte demgegenüber ein anderes Produkt sein: Seit Oktober 2016 verkauft Apple Search Ads (seit 2018 in Deutschland, wir berichteten), bezahlte Anzeigen für Apps im App Store. Gestartet sind Search Ads mit den klassischen von Yahoo und Google bekannten Suchwortanzeigen auf den Ergebnisseiten. Seitdem bekommen deutsche Nutzer:innen, die auf dem iPhone im App Store nach Tinder suchen beispielsweise Werbung für Parship ausgespielt. 2021 hat Apple dann das Inventar um Anzeigen auf der Suchseite (die also noch vor einem Suchvorgang ausgespielt werden) erweitert. Vor Kurzem hat der Konzern US-Medienberichten zufolge dann angekündigt, auch auf der Startseite des App Stores sowie auf App-Produktseiten (im Kasten mit Empfehlungen unter der Überschrift „Das gefällt dir vielleicht auch“) Anzeigen ausspielen zu wollen.

Das Standard-Format von Apple Search Ads (links): Nutzer:innen suchen nach einer App oder einem Tool und bekommen auf Basis der Keywords Anzeigen augespielt. Neu hinzugekommen sind 2021 Anzeigen auf der Such-Startseite (rechts).

Rund 650 Prozent Wachstum bis 2026?

Wie viel Geld Apple mit Werbung einnimmt, weist das Unternehmen bislang nicht gesondert aus. Einem Bloomberg-Bericht aus dem August zufolge soll sich der Jahresumsatz mittlerweile auf vier Milliarden US-Dollar belaufen. Und Todd Teresi habe innerhalb Apples dafür geworben, das Geschäft deutlich auszubauen: Der Werbechef will die Einnahmen laut von Bloomberg zitierten internen Quellen angeblich in den zweistelligen Milliardenbereich pushen, also mehr als verdoppeln.

Diverse Analysten hatten (zum Teil schon vor dem Bloomberg-Bericht) Apples Werbesparte ein großes Umsatzpotenzial attestiert. Auf 9,8 Milliarden US-Dollar im Jahr 2023 und bis zu 20 Milliarden US-Dollar bis zum Jahr 2026 könnten die Werbeumsätze in Cupertino steigen, prognostizierte im Juli ein Analyst der Bank of America. Das Beratungsunternehmen Evercore glaubt sogar (€) , dass Apples Werbeeinnahmen in diesem Zeitraum auf 30 Milliarden US-Dollar explodieren könnten.

Die potenzielle Umsatzentwicklung von Apples Werbesparte laut dem Beratungsunternehmen Evercore

Die potenzielle Umsatzentwicklung von Apples Werbesparte laut dem Beratungsunternehmen Evercore (Grafik: Financial Times)

Apple will eine Demand Side Platform entwickeln

Apple selbst hat die für ein solches Wachstum notwendigen Schritte offenkundig bereits eingeleitet – wie etwa einen Ausbau der Belegschaft: So hat das Unternehmen aktuell auf der eigenen Karriereseite 206 offene Stellen in seinem „Ad Platforms“-Team ausgeschrieben.  Die Financial Times (€) will Anfang September herausgefunden haben, dass Apple damit die Zahl der Mitarbeitenden im Werbeschäft fast verdoppeln würde: 216 Stellen waren zu diesem Zeitpunkt ausgeschrieben; das seien fast doppelt so viele, wie aktuell laut Linkedin für das Team arbeiten, nämlich rund 250 (wobei uns Linkedin bei einer Suche nach „Search Ads“ innerhalb der Apple-Belegschaft 347 Beschäftigte angezeigt hat).

Auch die technologische Infrastruktur für die Werbevermarktung will Apple ausbauen: In einer der Stellenausschreibungen sucht Apple eine:n „Engineering Director, Ads Demand Platform“, der oder die „beim Aufbau der datenschutzfreundlichsten und technologisch anspruchsvollsten Demand Side Platform der Welt“ unterstützen soll. Dass Apple eine DSP, eine Plattform, mit der Werbetreibende Werbeplätze einkaufen können, entwickeln möchte, hat in der Adtech-Szene für Aufhorchen gesorgt.

Verkauft Apple bald das Werbe-Inventar von Dritten?

Eine der damit verbundenen Fragen: Wird Apple mit dieser DSP nach iAd nun auch Inventar außerhalb der eigenen Dienste und Apps vermarkten? Eine entsprechende Nachfrage von Digiday hat das Unternehmen nicht beantwortet. Schon im April 2020 hat Apple die Kampagnen-Schnittstelle für Search Ads um die neuen Parameter „supplySource“ (Inventar-Quelle) und „adChannelType“ („Werbekanal-Typ“) erweitert. Mobile-Marketing-Experte Eric Seufert hält dies für einen Fingerzeig dafür, dass Apple in die Vermarktung von Inventaren Dritter einsteigen könnte.

Als sicher gilt, dass Apple das eigene Werbeinventar weiter aufstocken will – auch weiter über reine „Search Ads“ für Apps hinaus: Wie Bloomberg berichtet, erwäge Apple bereits, Werbung in der Karten-App des iPhones auszuspielen. Apple Maps war 2012 äußerst holprig gestartet, doch in den vergangenen drei Jahren hat Apple das Produkt generalüberholt und deutlich aufpoliert. Bloomberg-Journalist Mark Gurman spekuliert darüber hinaus, dass Apple auch andere digitale „Storefronts“ wie Apple Podcasts und Apple Books um Suchanzeigen erweitern könnte.

Apple vermarktet auch Sport-Live-Übertragungen

Und nicht zuletzt baut Apple auch bei seinem Netflix-Konkurrenten Apple TV+ das Inventar durch den Aufkauf von Sportübertragungsrechten aus. Im März sicherte sich der Konzern ein Rechtepaket für die Freitagsspiele der US-amerikanischen Baseball-Liga MLB. Gleich zum Start im April spielte der Konzern bei den Übertragungen auch Werbung aus: von der US-Versicherung Geico, Budweiser, Subway und anderen großen Konzernen. Im Juni verkündete Apple dann die Unterzeichnung eines Zehn-Jahres-Vertrags mit der US-Fußball-Liga MLS: Von 2023 an werde jedes MLS-Spiel über Apple TV+ übertragen.

Sollte es Apple gelingen, durch die Summe dieser Maßnahme die eigenen Werbeumsätze auf 30 Milliarden zu steigern, dann wäre der Konzern damit möglicherweise in der Rangliste der umsatzstärksten Werbeplattformen auf Platz vier hinter Alphabet/Google, Meta und Amazon vorgerückt. Vorausgesetzt, Microsofts Wachstum in diesem Geschäftsfeld beschleunigt sich nicht deutlich.

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16 Milliarden US-Dollar Umsatzverlust durch ATT?

Doch Apples Machtposition im globalen Werbemarkt lässt sich nicht alleine anhand der eigenen Vermarktungsumsätze und Marktanteile messen. Denn mit dem iPhone und dessen Betriebssystem iOS kontrolliert der Konzern ein äußerst begehrtes Umfeld in einer wohlhabenderen Zielgruppe als Google es mit Android tut. Und wie kompromisslos Apple in diesem Zusammenhang agieren kann, hat sich in den vergangenen zwei Jahren durch die "App Tracking Transparency" (wir berichteten) gezeigt: Seit April 2021 und iOS 14.5 müssen App-Entwickler die Nutzer:innen um Zustimmung bitten, wenn sie ihr Verhalten außerhalb der eigenen App tracken (also auf den "Identifier for Advertisers" – IDFA – zugreifen) wollen.

Viele Verbraucher:innen erteilen diese Zustimmung nicht – was bei Werbeplattformen wie denen von Meta, die größtenteils mobil genutzt werden und bei der Messung, der Personalisierung und der Optimierung der Werbung auf den IDFA angewiesen sind, deutliche Spuren hinterlässt: Im Earnings Call für das erste Quartal 2022 erklärte Meta-Finanzchef Dave Wehner, dass der Konzern erwarte, durch ATT in diesem Geschäftsjahr zehn Milliarden US-Dollar weniger Umsatz zu erwirtschaften. Im zweiten Quartal vermeldete Meta dann erstmals in der Geschichte des Unternehmens einen Umsatzrückgang. Aber auch Plattformen wie Snap und Twitter sind betroffen. Der Data-Management-Platform-Anbieter Lotame prognostiziert, dass Apples Opt-in-Zwang Facebook, Youtube, Snap und Twitter in diesem Jahr 16 Milliarden US-Dollar Umsatz kosten könnte – wobei 13 Milliarden alleine auf das Konto von Facebook gehen sollen.

Apple wollte an Facebooks Umsätzen beteiligt werden

Für die iPhone-Nutzer:innen mag ATT eine begrüßenswerte Neuerung sein. Doch aus Marketing-Sicht ist die Entwicklung der vergangenen Monate gleich aus mehreren Gründen pikant. Der erste: "App Install Ads", mit denen Werbetreibende App Downloads generieren wollen, sind oder waren auch für Meta/Facebook ein einträgliches Geschäft. Eine Untersuchung des Mobile-Attributions-Tools Branch aus dem vergangenen Oktober (€) legt nun nahe, dass nach der Einführung von ATT ein beträchtlicher Teil dieser Budgets von Meta zu Apple gewandert ist. Der Anteil von Apple Search Ads an allen Installs soll sich demnach mehr als verdreifacht haben, während jener von Meta sich mehr als halbiert hat. "Apple hat die Bank der Mafia überfallen", kommentierte Mobile-Marketing-Experte Eric Seufert diese Entwicklung lakonisch.

Die Entwicklung der Anteile an unterschiedlichen Werbeplattformen an mit dem Attributions-Tool Branch gemessenen App-Install-Kampagnen

Die Entwicklung der Anteile an unterschiedlichen Werbeplattformen an mit dem Attributions-Tool Branch gemessenen App-Install-Kampagnen (Quelle: Branche / Grafik: Financial Times)

Der zweite Grund dafür, dass die Ereignisse der vergangenen Monate für viele "ein Geschmäckle" haben, ist, dass Apple zuvor offenbar versucht hat, sich hinter den Kulissen an einem Teil von Metas/Facebooks Umsätzen beteiligen zu lassen, wie das Wall Street Journal (€) gerade berichtet hat: "Facebooks Produkte gehörten zwar zu den beliebtesten Apps auf dem iPhone — Apple verdiente an diesen aber kein Geld. Für einige Apple Führungskräfte war das ein ständiger Frustrationsgrund, wie mit der Angelegenheit vertraute Personen berichteten", heißt es in dem Artikel. Apple soll Facebook einige Arrangements "vorgeschlagen" haben, wie etwa, dass Facebook eine werbefreie Version seines Dienstes im Abo anbiete und Apple an diesen Umsätzen beteiligt werde. Beide Parteien seien sich jedoch nicht einig geworden.

Zahlt Google 20 Milliarden US-Dollar an Apple?

Google zahlt demgegenüber seit Jahren offenbar beträchtliche Summen an Apple: Wie Unterlagen im Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren zwischen Oracle und Google laut Bloomberg offengelegt haben, soll der Suchmaschinenkonzern Apple im Jahr 2014 eine Milliarde US-Dollar gezahlt haben, damit Google als Standardsuchmaschine auf dem iPhone voreingestellt ist. Schätzungen gehen davon aus, dass dieser Betrag über die Jahre hinweg immer weiter gestiegen ist: von drei Milliarden US-Dollar im Jahr 2017, neun Milliarden US-Dollar im Jahr 2018, 15 Milliarden US-Dollar im Jahr 2021 zu 18 bis 20 Milliarden US-Dollar in diesem Jahr.

In diesem Zeitraum kursierten immer wieder Gerüchte darüber, dass Apple eine eigene Suchmaschine ins Netz bringen wolle; sogar ein eigener Crawler wurde schon entdeckt. Heute liegt die Vermutung nahe, dass Apple solche Experimente eher forciert hat, um Googles Zahlungsbereitschaft weiterhin hochzuhalten. Aber auch der ungebrochene Erfolg des iPhones dürfte dafür sorgen, dass Apple sich weiterhin in guter Verhandlungsposition befindet. So soll der iPhone-Marktanteil in den USA im Juni den von Android-Handys überholt haben und bei mehr als 50 Prozent liegen. Ungemach droht Apple im Zusammenhang mit dem Suchmaschinen-Deal mit Google nun jedoch durch ein mögliches Kartellrechtsverfahren in den USA.

Apple hält die Hand über die Attribution von App-Downloads

Unterdes könnte Apples Macht im digitalen Werbemarkt noch zunehmen. Es gibt Hinweise dafür, dass das Targeting, also die zielgerichtete Ausspielung von Werbung, künftig stärker "on device" gesteuert werden wird (also direkt auf dem jeweiligen Endgerät) im Gegensatz zu auf externen Servern gespeicherten Nutzerdaten. So hat Google beispielsweise im Zusammenhang mit der (nun für die zweite Jahreshälfte 2024) angekündigten Abschaffung der so genannten Third-Party-Cookies auf eine "Privacy Sandbox" und "Topics" zu setzen: "Mit Topics bestimmt Ihr Browser eine Handvoll Themen, wie z. B. "Fitness" oder "Reisen & Transport", die auf der Grundlage Ihres Browserverlaufs Ihre wichtigsten Interessen für diese Woche darstellen", heißt es in der Ankündigung. "Die Themen werden vollständig auf Ihrem Gerät ausgewählt, ohne dass externe Server, einschließlich Google-Servern, beteiligt sind."

Über die Attribution von App-Download- und anderen Ads hält Apple bereits jetzt schon stärker die Hand: Schon seit 2018 bietet der Konzern mit dem "Storekit Ad-Network" (SKAdnetwork, oder auch SKAN) eine eigene Lösung für die Attribution an; doch die wurde lange relativ wenig genutzt. Doch weil seit der Einführung von ATT die Erfolgsmessung von Werbekampagnen im iOS-Umfeld deutlich erschwert wird, habe sich SKAN zum primären Mechanismus entwickelt, mit dem Werbung gemessen und optimiert werde, schreibt beispielsweise das Branchenmedium Adexchanger.

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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