Apple Search: Wie die neue Suche das Marketing verändern könnte

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Der Digital-Gigant macht Apps durchsuchbar und greift Google an

apple_smashes_google_550 Arbeitet Apple an einer eigenen Suchmaschine, die Google Konkurrenz machen soll? In den vergangenen zwölf Monaten verdichteten sich entsprechende Hinweise und Gerüchte. Nun deutet sich mit iOS9, der jüngsten Version von Apples mobilem Betriebssystem, zum einen an, dass Apples „Suchmaschine“ womöglich ganz anders aussieht, als die Nutzer es von bisherigen Anbietern gewohnt sind. Zum anderen zeigt iOS9 aber auch, dass es Apple offenbar durchaus ein ernstes Anliegen ist, Google aus der eigenen Infrastruktur zu verdrängen. Wir haben uns angesehen, wie viel „Apple Search“ heute schon Wirklichkeit ist, welche tiefgreifenden Konsequenzen sich daraus für das Marketing ergeben könnten und was die eigentlichen Beweggründe von Apples Vorgehen sind. ios-9-search-mauiFür den iPhone-Nutzer ist es auf dem Bildschirm nur ein kleiner Wisch nach rechts – aber was die Geste zu Tage fördert, bedeutet für das Marketing auf mobilen Endgeräten möglicherweise einen enormen Schritt. Denn links vom Startbildschirm findet sich bei Apples beliebtem Smartphone nun eine eigene Suchseite. Auf dieser werden dem Nutzer noch vor Eingabe eines Suchbegriffes Kontakte und häufig genutzte Apps eingeblendet, ebenso wie kurz angerissene Nachrichtentexte. Führt der Nutzer eine Suche durch, erhält er eine Vielzahl unterschiedlicher Ergebnisse – dies können direkte Antworten sein (bei Suchen nach Begriffen wie „Dax“, „Wetter“ oder nach Sportergebnissen), Informationen aus dem eigenen Kalender oder Mail-Programm, aber auch Website-Vorschläge (wenn der Suchbegriff in der Domain der Website enthalten ist), Links zu Webvideos und Wikipedia-Einträgen sowie zuguterletzt Vorschläge aus Microsofts Suchmaschine Bing.

Vor allem aber finden sich in der neuen iOS-Suche auch Ergebnisse aus App-Inhalten. Apple-Vizevorstand Craig Federighi, verantwortlich für die Betriebs-Software des Unternehmens, demonstrierte die App-Suche im vergangenen Juni bei Apples großer Entwicklerkonferenz WWDC auf der Bühne. Eine Suche nach „maui“ beispielsweise listet zunächst ein Ergebnis aus der Privatzimmerbörse Airbnb auf, danach ein über die die Reiseplattform Kayak gekauftes Flugticket von San Francisco nach Maui. Eine Suche nach „potato“ führt zu Rezepten in der Koch-App Yummly.

Was zunächst trivial klingen mag, bedeutet für das Mobile-Ökosystem einen enormen Fortschritt. Denn bislang waren Apps Silos, die untereinander nicht miteinander verknüpft waren. Alle Inhalte waren nur über den Start der App erreichbar – „deep links“ in unterschiedliche Bereich der App hinein, wie sie im stationären Web für einzelne Seiten schon lange gibt, waren bislang nicht möglich. Wer sich beispielweise auf dem Smartphone für einen auf einer App basierenden Service anmeldete und dafür in der App die E-Mail-Adresse angeben musste, dann die E-Mail aufs Smartphone erhielt und auf den Bestätigungslink klickte, landete in der Vergangenheit aus diesem Grund nicht in der App, sondern im Browser bei der Web-Version des Dienstes.

Apple richtet eigenen Index ein

potato_yummlyDie Möglichkeit des Mobile Deep Linking und zunehmende Verbreitung dieser Praxis verspricht nun eine Lösung dieses Problems. Nachdem Google und Facebook bereits 2014 eigene Deep-Linking-Formate entwickelt und den Markt gebracht hatten, hat Mobile-Riese Apple nun nachgezogen. Mit der Veröffentlichung von iOS9 können die Entwickler die iPhone-Nutzer direkt zu spezifischen Punkten innerhalb der Apps schicken. Apple hat dafür eine eigene Schnittstelle eingerichtet und betreibt gleiche mehrere Suchindizes – öffentliche und private die nur auf dem jeweiligen Gerät gespeichert werden. Auf diese Weise sollen dem jeweiligen Nutzer auch „private“ Suchergebnisse eingeblendet werden können, etwa von Nachrichten aus Messaging Apps oder eben Ticket-Käufen von Reise-Plattformen.

Für diese Suche können App-Entwickler nun die Inhalte ihrer Apps von Apple indexieren lassen. Eine ausführliche Anleitung in mehreren Dokumenten findet sich dazu im Developer-Bereich von Apples Website; eine immer noch recht detaillierte Zusammenfassung über die Vorgehensweise und die Ranking-Kriterien bei Search Engine Land.

„Süddeutsche“ hat bereits Inhalte indexieren lassen

fluechtlingskriseObwohl Apple die Informationen bereits im Juni zur Verfügung gestellt hat, hängen viele Entwickler offenbar in der Implementierung noch hinterher: Die von Apple-Manager Federighi auf der WWDC gezeigten Beispiele ließen sich aktuell auf einem iPhone von Deutschland aus noch nicht rekonstruieren. Andere, erste Beispiele lassen sich jedoch schon finden ­– auch von deutschsprachigen Apps. Wer beispielsweise nach „flüchtlingskrise“ sucht, erhält, wenn die App der „Süddeutschen Zeitung“ auf dem Gerät installiert ist, auch Ergebnisse der SZ. International gehören, wie das Nieman Journalism Lab der US-Uni Harvard auflistet, der britische Guardian, Buzzfeed, Pocket und Flipboard, zu weiteren Beispielen.

Offenbar haben sich bislang vor allen Dingen Medien und Aggregationsdienste ihre Apps von Apple für die iOS-Suche indexieren lassen. Möglicherweise hängt dies damit zusammen, dass diese sich ebenfalls für die neue Nachrichten-App Apple News (bislang nur in englischsprachigen Ländern verfügbar) haben listen lassen.

sprained_ankle_caseVermutlich dürfte die Adaption von Apples App Indexing unter den Entwicklern in den nächsten Wochen aber schnell zunehmen. Denn für App Marketing bietet Apples neue Suchfunktion eine äußerst große Chance. Bislang war es für die Entwickler äußerst schwer, mit ihren Angeboten im App Store zwischen Millionen anderer Apps sichtbar zu werden. Möglich war dies alleine über App-Titel, Keywords, eine gute App-Beschreibung und entsprechende „App Store Optimization“ (ASO). Die einzige Alternative in der Nutzerakquisition waren bislang „App Install Ads“, also der Kauf von Downloads – aber hier sind in einigen Segmenten die Kosten zuletzt stark gestiegen. Weil Apple nun in die Suchergebnisse auch Inhalte aus Apps aufführen will, die der Nutzer nicht auf dem Gerät installiert hat, bietet dies den Entwicklern vollkommen neue Möglichkeiten, mit ihrer App entdeckt zu werden und Downloads zu erzielen. Wie Federighi bei der WWDC demonstrierte, könnte eine Suche nach „sprained ankle“ (verstauchter Knöchel) dann beispielsweise Gesundheits- und Krankenhaus-Apps auflisten.

Möglichkeit zur Reaktivierung von Nutzern

Aber nicht nur für die Akquisition neuer Nutzer birgt Apples neue Suche Potenzial, sondern auch für das „Reengagement“, also die Reaktivierung von Nutzern, die die App bereits heruntergeladen haben, diese aber nicht mehr nutzen. Dies war bislang ein großes Problem für die App-Entwickler. Studien zeigen, dass dort ein Großteil der Nutzung innerhalb von nur fünf Apps stattfindet. In dieses „relevant set“ vorzudringen ist äußerst schwer, Mobile Deep Linking könnte dazu beitragen, dass sich die Nutzungszeit künftig breiter streut.

Theoretisch könnte Apple sogar mit der eigenen App so genannte transaktionale Suchen adäquat beantworten – also Anfragen von Nutzern mit einem konkreten Kauf- oder Buchungsinteresse. So ermöglicht Apple bei der Indexierung der App-Inhalte die Einbindung von Preisen und Bewertungen mittels Schema.org. Wir haben jedoch bei unserem Stichprobentest noch keine Produktergebnisse in Apples Suche finden können, obwohl wir extra Apps von großen Shops wie Amazon, Zalando und Asos installiert hatten.

So können App-Entwickler Preisangaben und Bewertungen durch Apple indexieren lassen

So können App-Entwickler Preisangaben und Bewertungen durch Apple indexieren lassen

Verfügt Apples neue Suche nun über das Potenzial, eine auch nur annähernd ähnliche Bedeutung zu erlangen wie die Suchmaschine von Platzhirsch Google? Das ist anhand der aktuellen Form des Dienstes schwer zu prognostizieren. Eine natürliches Hindernis bei der großflächigen Verbreitung dürfte sicherlich sein, dass die neue Suche aus Cupertino alleine auf Apple-Geräte beschränkt ist: Apps von Googles konkurrierendem Betriebssystem Android werden nicht indexiert und auch der Zugriff auf Apples Suche ist von anderen Geräten aus nicht möglich. Der Marktanteil von iOS rangierte in den vergangenen Jahren laut dem Marktforscher IDC bei etwa 15 Prozent; der von Android zuletzt bei gut 80 Prozent.

Die Reichweite von „Apple Search“ dürfte noch deutlich zunehmen

Andererseits gelten in der Entwickler- und Mobile-Marketing-Welt Apple-Nutzer als deutlich wertvoller, da die Nutzer kaufkräftiger und -freudiger seien. Diese über eine Suchmaschine zu erreichen, dürfte dementsprechend attraktiv sein. Zudem ist Mobile das am stärksten wachsende Mediensegment und setzt an, das Web in puncto Nutzungszeit zu überholen. Die Reichweite von Apples Suchmaschine dürfte also innerhalb der kommenden Jahre von selbst noch deutlich wachsen. Wenn es dem Unternehmen gelingt, mit dem gerade vorgestellten Fernsehbetriebssystem tvOS Apps auch im Fernseh-Umfeld als Nutzungsform zu etablieren, dürfte sie zudem noch einmal ansteigen.

Insgesamt ist Apples Vorgehen aber vermutlich eher als Teil einer großen Gesamtstrategie zu betrachten: Weil der Konzern auf den Geräten am Verkauf von Apps und an In-App-Verkäufen mitverdient, versucht Apple diese Infrastruktur zu stärken. Wenn über eine bessere Auffindbarkeit von Apps deren Nutzung steigt, bindet Apple auf diese Weise Publisher an sich, stärkt die eigene Plattform und schwächt im gleichen Zug Mitbewerber.

Direkte Angriffe auf Google

Vor allen Dingen Google ist das Opfer von Apples jüngsten Schachzügen. Schon in den vorherigen iOS-Versionen konnten die Nutzer zu ihnen unbekannten Websites navigieren, ohne die URL zu kennen und ohne Google nutzen zu müssen; etwa indem Apple ihnen in der Mobile-Version von Safari nach der Eingabe der ersten Buchstaben beliebte Websites vorschlug. Mit iOS9 sind die Möglichkeiten, Googles Suchdienste auf Apple-Geräten gar nicht mehr benutzen zu müssen, gestiegen.

Darüber hinaus hat Apple mit dem neuen Mobile-Betriebssystem die Möglichkeit des „Content Blocking“ eingeführt – der Möglichkeit, im Apple-Browser Safari Inhalte und vor allen Dingen Werbung zu blocken. Damit wird das Web – die Haupteinnahmequelle von Google – zumindest auf Apple-Geräten noch weiter entwertet. Aber auch Facebook könnte unter den von Apple neu eingeführten Möglichkeiten der „App Discovery“ leiden, ist das Social Network doch bislang einer der wichtigsten Anbieter von so genannten „App Install Ads“.

Der größte Leidtragende der aktuellen Entwicklung hin zu immer mehr „walled gardens“, also geschlossenen Infrastrukturen dürfte das so genannte „offene Web“ sein und die Publisher, die dort versuchen, ihr Geld zu verdienen. „Willkommen in der Hölle: Apple gegen Google gegen Facebook, alle mit ihren eigenen Einkommensplattformen“, schrieb der renommierte US-Blog The Verge vor wenigen Tagen. „Das ist die jüngste und größte Schlacht, die in der heutigen Technologielandschaft stattfindet.“

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Roland Eisenbrand
Autor*In
Roland Eisenbrand

Roland ist seit mehr als zehn Jahren als Journalist in der Digitalbranche aktiv. Seit 2014 verantwortet er als Head of Content (und zweiter Mitarbeiter) alle inhaltlichen Komponenten von OMR, darunter vor allem den OMR Blog und redaktionelle Arbeit rund um das OMR Festival.

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