Wie Anwalts-Youtuber mit dem Johnny Depp/Amber Heard-Prozess Kasse machen

Martin Gardt14.6.2022

In den USA verdienen "Lawtuber" allein über bezahlte Chat-Funktionen Hunderttausende Dollar bei Livestreams über den Prozess

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Für viele ist es lukrativer als ein Anwalts-Job: Youtuber:innen, die sich mit rechtlichen Themen und Gerichtsverfahren beschäftigen, sind derzeit extrem populär. Der Promi-Prozess zwischen Amber Heard und Johnny Depp hat nochmals für einen kräftigen Push gesorgt. Wir zeigen, wie bestimmte „Lawtuber“ vor allem über einen Youtube-Mechanismus viel Geld verdienen und warum das Thema derzeit so gut funktioniert.

Vom 11. April bis zum 1. Juni lief der Schadenersatz-Prozess zwischen den Hollywood-Schauspielern Amber Heard und Johnny Depp. Und das Interesse der Öffentlichkeit war und ist enorm. Das bringt nicht nur die besten Seiten der Menschheit zum Vorschein. Vor allem Amber Heard bekommt auf den großen Plattformen extrem viel Hass ab. Ihre Anwältin gab den sozialen Medien eine Mitschuld am Ausgang des Prozesses. In diesem Artikel wollen wir aber zeigen, wie sogar Kanäle, die sich extrem ausführlich und möglichst neutral mit den rechtlichen Fragen rund um den Prozess auseinandergesetzt haben, extrem profitieren.

Ein paar Beispiele: Auf dem US-Youtube-Kanal „Law&Crime Network“ kommen mehrere mehrstündige Livestreams aus dem Gerichtssaal jeweils auf über 20 Millionen Aufrufe. Die Aufmerksamkeit nutzen große Rechts-Youtuber:innen, um Reichweiten zu generieren und Umsätze zu machen. Verschiedene Player wie Emily D. Baker, LegalBytes, Rekieta Law oder Legal Eagle analysieren den Prozess in unzähligen Videos. Auch in Deutschland springen Youtube-Anwälte wie Christian Solmecke und Herr Anwalt auf den Zug auf. Das Besondere: Die größten Lawtuber in den USA verdienen viel Geld mit „Super Chat“ – einer zumindest in Deutschland bisher eher unbekannten Youtube-Funktion.

Über 150.000 Dollar in unter zwei Monaten

Das Analytics-Tool Playboard zeigt, dass gleich drei Rechts-Youtuber:innen aus den USA im Mai 2022 weltweit die größten Umsätze durch die Youtube-Funktion Super Chat verzeichnet haben. Emily D. Baker liegt laut Playboard mit geschätzten 220.000 US-Dollar in nur einem Monat an der Spitze. Bei Super Chat handelt es sich um eine Livestream-Funktion. Diese können Creator nutzen, die ihre Kanäle mit Youtube-Ads monetarisieren können – also wenn sie eine gewisse Reichweite haben. Während eines Livestreams können Zuschauer:innen zwischen einem und 500 US-Dollar zahlen, damit ihre Fragen und Kommentare hervorgehoben werden. Youtube behält von den Einnahmen 30 Prozent Provision.

Emily D. Baker Super Chat

Emily D. Baker blendet bezahlte Kommentare und Fragen großflächig während ihrer Streams ein.

Bei Millionen gleichzeitigen Zuschauer:innen können die Youtuber:innen schließlich nur einen Teil der unzähligen Fragen im Chat beantworten – und priorisieren zahlende Nutzer:innen. So waren während der Prozess-Livestreams viele gewillt, fünf oder mehr US-Dollar auszugeben, um beispielsweise Emily D. Baker rechtliche Fragen stellen zu können. Die 43-Jährige ehemalige Staatsanwältin geht dabei clever vor: Sie blendet bezahlte Kommentare und Fragen groß in ihrem Livestream-Video ein – und hebt die Kommentare nicht nur in der Kommentarspalte hervor. Das erhöht offenbar die Lust ihrer Zuschauer:innen, zu zahlen. Derzeit verzeichnet sie 637.000 Youtube-Follower – zum Start des Depp-Heard-Prozesses waren es laut Analyse-Tool Socialblade etwa 200.000. Allein in den zwei Wochen vor Urteilsverkündung wuchs ihr Kanal um fast 200.000 neue Abonnent:innen. Und der Reichweiten-Sprung schlägt auf ihre Einnahmen durch: Im kompletten Jahr 2021 machte Baker laut Business Insider 270.000 US-Dollar Umsatz mit Youtube. Auf den Umsatzwert kommt sie jetzt in unter zwei Monaten nur durch Super Chat. Allerdings gibt sie an, dass durch die Youtube-Provision eher etwa 170.000 US-Dollar für sie übrig bleiben – nur über die Zeit des Depp-Heard-Prozesses.

Das Interesse ist riesig

„Weil viele meiner Videos zum Prozess wegen des Themas nicht mit Ads monetarisierbar sind, bin ich überwältigt, wie die ‚Law Nerd Community‘ mich als unabhängige Content Creatorin unterstützt“, sagt Emily D. Baker gegenüber Business Insider. In der Spitze habe der Livestream während der Urteilsverkündung gleichzeitig 370.000 Zuschauer:innen erreicht. „Das Interesse am Prozess hat mein Publikum erweitert und ich freue mich, dass so viele einen Ort gefunden haben, um mehr über Recht und Gesetz zu lernen, während ich Popkultur-Fälle bespreche“, sagt sie. „Rechts-Analyse ist nicht mehr auf 5-Minuten- oder 30-Minuten-Segmente im TV beschränkt.“ Die Livestreams von Baker und anderen laufen zum Teil zwischen vier und sechs Stunden – viel Zeit für Super-Chat-Einnahmen.

Mit dem gleichen Prinzip wie Baker haben auch die bereits erwähnten Kanäle LegalBytes und Rekieta Law während des Depp/Heard-Prozesses Umsatz gemacht und Reichweite gewonnen. Alyte Mazeika, die Creatorin hinter LegalBytes, hatte in der zweiten Verhandlungswoche Mitte April 64.000 Subscriber und verdiente bereits 5.000 US-Dollar pro Woche vor allem über Super Chat. Heute verzeichnet sie 243.000 Abonnent:innen und machte laut Analyse-Tool Playboard über 230.000 US-Dollar Umsatz während des Prozesses (vor Abzug der 30 Prozent für Youtube). Allein im Mai 2022 lagen ihre Einnahmen demnach bei 190.000 US-Dollar vor Abzug der Provision.

Super Chat Top-Verdiener Mai 2022

Die Super-Chat-Topverdiener im Mai 2022 laut Analytics-Tool Playground

Und auch Nick Rekieta, der Mann hinter dem Youtube-Kanal Rekieta Law hat den Prozess genutzt, um gut zu verdienen. Gegenüber Business Insider gibt er an, nur mit der Super-Chat-Funktion über 135.000 US-Dollar vor Steuern eingenommen zu haben. Für ihn offenbar fast Routine. Schon im November hatte er laut Playboard 150.000 US-Dollar per Super Chat verdient, damals vor allem durch seine Videos über das Gerichtsverfahren rund um den US-Teenager Kyle Rittenhouse, der bei Protesten gegen Polizeigewalt zwei Demonstranten erschossen hatte und freigesprochen wurde.

Auch deutsche Creator nutzen die Aufmerksamkeit

Die Beispiele aus den USA zeigen aber nicht nur, welche Umsätze mit Livestreams und Super Chat Youtuber:innen generieren können, sondern vor allem, welche Zugkraft der Prozess in Sachen Reichweite hat. LegalBytes kommt mit teilweise elfstündigen Streams über die Prozesstage auf jeweils über eine Million Views. Videos von Alyte Mazeike von vor dem Prozess erreichen gerade mal knapp über 5.000 Abrufe. Das enorme öffentliche Interesse an den Themas bemerken auch andere Anwalts-Youtuber. So war Devin J. Stone mit seinem Youtube-Kanal LegalEagle auch vor dem Prozess bereits sehr erfolgreich (über zwei Millionen Abonnent:innen). Auch bei ihm zählen die Videos über Depp und Heard mit jeweils knapp zwei Millionen Views zu den erfolgreichsten auf seinem Kanal.

In Deutschland sieht es ähnlich aus. Das Erklärvideo zum Verfahren von Tim Hendrik Walter alias Herr Anwalt bringt ihm auf Youtube über 1,6 Millionen Aufrufe. Andere Videos des sonst vor allem auf Tiktok aktiven Anwalts landen auf der Plattform eher bei 100.000 bis 300.000 Views. Und auch der bekannteste Youtube-Anwalt Deutschlands, Christian Solmecke, hat bereits mehrere Videos über den Depp/Heard-Prozess gebracht. Auf seinem Kanal bringen rechtliche Einordnungen von Fynn Kliemanns Situation sowie von Fritz Meineckes Raser-Strafe aktuell aber noch mehr Klicks.

Was klar ist: Deutsche Anwalts-Youtuber:innen haben direkt mit dem Depp/Heard-Prozess bei weitem nicht so viel Geld verdient wie einzelne US-Durchstarter. Das liegt vor allem daran, dass die Super-Chat-Funktion hierzulande deutlich weniger genutzt wird. Im Mai 2022 verdiente der Gaming-Streamer Lukas Wolf laut Playboard knapp unter 5.000 Euro mit Super Chat und lag damit unter den deutschen Creatorn auf Platz 1. Da dürfte es für einen deutschen Rechtsanwalt wie Christian Solmecke noch deutlich lukrativer sein, über digitale Plattformen eine solche Personal Brand und Aufmerksamkeit aufzubauen, dass diese ihm neue Mandant:innen in die Kanzlei bringt.

RechtYoutubeYoutuber
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Martin Gardt

Martin kümmert sich vor allem um neue Artikel für OMR.com und den Social-Media-Auftritt. Nach dem Studium der Kommunikations- und Medienwissenschaft ging er zur Axel Springer Akademie, der Journalistenschule des Axel Springer Verlags. Danach arbeitete er bei der COMPUTER BILD mit Fokus auf News aus der digitalen Welt und Start-ups. Am Wochenende findet Ihr ihn auf der Gegengerade im Millerntor.

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